Mit diesem Thema beschäftigte sich die 3. Zukunftswerkstatt „Frauen im Rudersport“ am 29. August. Der Titel mag merkwürdig klingen, umfasst aber viele spannende Aspekte für (Leistungs-)Sportlerinnen. Das Thema hat inzwischen seinen Weg in die Medien gefunden, wird in Trainerkreisen aber trotzdem noch häufig weiträumig umschifft.
Tatsächlich fehlen auch belastbare Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sich die Unterschiede zwischen dem weiblichen und männlichen Körper auf das Training auswirken. Neues Wissen entsteht dazu derzeit am Institut für angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig. Katharina Fischer und Elisabeth Kirschbaum präsentierten den Teilnehmerinnen der Zukunftswerkstatt die ersten Forschungsergebnisse. Zusätzlich berichteten Pia Greiten und Tabea Schendekehl am Vorabend der Abreise zur Ruder-WM von ihren persönlichen Erfahrungen und über die Studie, die unter den Ruderinnen im vergangenen Winter durchgeführt wurde.
Der weibliche Zyklus
Er begleitet Frauen einige Jahrzehnte ihres Lebens und ist Grundlage für die Entstehung neuen Lebens. Vier Hormone schaffen alle 28 Tage die Voraussetzungen für eine Schwangerschaft und beseitigen sie wieder, wenn die Eizelle nicht befruchtet wurde. Durch diese Veränderungen im Körper steigt die Körpertemperatur in der zweiten Zyklushälfte um 0,5°C, was bei Training und Wettkampf in sommerlicher Hitze durchaus zu beachten ist. Wer in dieser Zyklusphase eher müde ist, spürt die Auswirkungen des dann vorherrschenden Kuschelhormons Progesteron.
Ob der Zyklus als störend empfunden wird oder fast unbemerkt abläuft, ist individuell verschieden. Je mehr die Frauen über das Geschehen in ihrem Körper wissen, desto besser können sie damit umgehen, ihr Training steuern und im Wettkampf reagieren.
Zyklusunregelmäßigkeiten durch Sport
Die hohen Belastungen von Training und Wettkampf können den Zyklus durcheinander bringen. Von den vom IAT befragten Ruderinnen hatten nur 8 noch nie einen auf 35 bis 80 Tage velängerten Zyklus. 12 sind davon aktuell betroffen, 15 waren es in der Vergangenheit – also deutliche Mehrheiten für ein von der Norm abweichendes Geschehen.
Ein komplettes Ausbleiben der Regel haben 10 Ruderinnen schon erlebt, 15 noch nie und 2 sind aktuell davon betroffen. Die Referentinnen halten in diesem Fall die rote Karte für angebracht und raten allen Betroffenen, das Problem zu thematisieren und mit ärztlicher Hilfe dagegen anzugehen. Denn es steckt mehr dahinter, und es kann weitergehende Auswirkungen haben.
Energieverfügbarkeit und Energiemangel
Jeder Mensch nimmt eine gewisse Energiemenge durch die Nahrung auf und hat einen Verbrauch für physiologische Funktionen und Alltagsaktivitäten. Steigt der Energieverbrauch durch hartes Training stark an oder wird zu wenig Energie zugeführt, entsteht ein Energiemangel. Bei Sportlerinnen ist die Regelblutung ein guter Marker für die Energieverfügbarkeit. Erfolgt die Blutung regelmäßig, ist genug Energie vorhanden. Ist der Zyklus verlängert oder bleibt die Blutung aus, hat der Körper sehr wahrscheinlich zu wenig Energie. Weitere negative Auswirkungen, die auch Männer betreffen können, sind ein Sinken von Ausdauer, Koordination, Konzentration und Kraft. Die Glykogenspeicher leeren sich, während das Verletzungsrisiko und die Reizbarkeit steigern und viele weitere negative Auswirkungen auf Körper und Psyche entstehen können.
Training und Wettkampf während der Regelblutung
Eine kurze Umfrage unter den Teilnehmerinnen der Zukunftswerkstatt ergab, dass viele Sportlerinnen in den Tagen der Tage reizbarer und weniger leistungsfähig sind. Am stärksten sind die Auswirkungen auf Emotion, Motivation, Sozialkompetenz und Kraft. Eine Leistungssteigerung tritt früh oder spät im Zyklus auf. Da das alles sehr individuell ist, sollte jede Sportlerin ihren Zyklus im Trainingsbuch dokumentieren und hormonelle Schwankungen beobachten. Nach einer gewissen Zeit können aus den Aufzeichnungen von Training, Energielevel, Stimmung, Intensität der Regelblutung und möglichen körperlichen Symptomen wie Schmerzen, Verdauungsbeschwerden, Hautveränderungen oder Schlaflosigkeit wichtige Erkenntnisse abgeleitet und mögliche Rhythmen gefunden werden.
Natürlich kann sich ein Mannschaftstraining nur bedingt nach einzelnen Sportlerinnen richten, und Wettkämpfe lassen sich schon gar nicht verschieben. Das muss aber auch gar nicht sein, denn gerade im Wettkampf gleichen Hormone wie Adrenalin negative Einflüsse der Zyklushormone aus. Und die Praxis zeigt, dass selbst mit Regelschmerzen Weltrekorde (Paula Radcliff im Marathon) oder Medaillen aller Art erreichbar sind.
Wenn die Sportlerinnen ihren Zyklus kennen und von den Auswirkungen nicht überrascht werden, sind sie weniger beeinflussbar, können damit umgehen und mentale Stärke aufbauen.
Ein positiver, konstruktiver Umgang mit dem Thema ist wünschenswert, denn Frauen sind nun mal keine „kleinen Männer“, sondern haben ein ganz speziellen Körper.
Was muss sich ändern?
- Der weibliche Zyklus darf kein Tabuthema mehr sein. Das Thema muss in die Trainerausbildung aufgenommen werden, damit Sportlerinnen und Trainer offen und kompetent darüber sprechen und konstruktiv damit umgehen können.
- Die wissenschaftliche Datenlage muss stark verbessert werden. So gibt es auch viel zu wenig Forschung zum den Auswirkung der Pille auf die Leistungsfähigkeit. Angesichts der Vielzahl an Präparaten ist das natürlich auch kein einfaches Thema. Ebenso fehlen belastbare Zahlen für Sportarten, bei denen das Körpergewicht eine Rolle spielt (Leichtgewichts-Ruderinnen), was die Ernährung und somit die Energieverfügbarkeit beeinflussen kann.
- Eine ausbleibende Regelblutung oder extreme Regelschmerzen müssen ernst genommen und behandelt werden. Es muss ein Klima entstehen, in dem sich auch junge Sportlerinnen trauen, das Thema anzusprechen und von Ärzten unterstützt werden.
- Jede Sportlerin ist anders. Es gibt keine Patentrezepte, sondern nur individuelle Lösungen, die durch ein Zyklus-Tracking in der Trainingsdokumentation leichter gefunden werden.
Mehr Infos
Mitschnitt der Zukunftswerkstatt ist beim DRV
Schreibe einen Kommentar