Einmal kurz nicht aufgepasst – und schon hat das schöne Ruderboot einen Kratzer, ein Loch oder im schlimmsten Fall keine Bugspitze mehr. Das ist ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern, wenn es schon passiert ist. Viele Schäden lassen sich zum Glück gut reparieren.
Interessierte Ruderer und Ruderinnen können bei Bootsbaumeisterin Anja Schäfer an einen langen Wochenende viel darüber lernen und natürlich auch praktisch ausprobieren.
Ich hatte die Ausschreibung Anfang 22 gelesen und mich nach kurzer Bedenkzeit für das Frauen-Seminar im September angemeldet. Gibt es genug „verrückte“ Frauen, damit die Mindestteilnehmerzahl erreicht wird? Diese Frage musste ich mir nicht lange stellen, denn schon im Juni war klar, dass das Seminar sicher stattfindet! Und tatsächlich traf sich eine nette Gruppe Ruderinnen aus dem ganzen Land in Berlin. Jüngere und ältere Frauen waren dabei, einige in Vorstandspositionen in ihren Vereinen, andere aktiv als Trainerinnen, manche mit Vorkenntnissen bei der Bootsreparatur, andere ganz neu darin, aber alle neugierig und voller Einsatzbereitschaft.
Bootskunde
Zum Einstieg gab es einen Theorieblock über die verschiedenen Eigenschaften von Renn- und Gigbooten sowie die Bauarten von Holzbooten. Das ein oder andere hatte ich zwar schon mal gehört, aber nie so systematisch, wie es Anja vortrug. Einiges davon ist in unsere Boote-Seite eingeflossen.
Bootsbau
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Danach folgte ein Einblick in den Bootsbau. Wie entsteht ein schnittiger Renn-Einer? Das erfuhren wir theoretisch und konnten es anschließend gleich praktisch üben.
Man nehme je eine Lage Karbon, Wabe und Glasfaser, schichte alles mit viel Epoxyharz aufeinander und lasse es über Nacht in einem Vakuum unter Klebeband aushärten. Am nächsten Tag war tatsächlich ein festes Werkstück entstanden, an dem wir die nächsten Arbeitsschritte üben konnten. So die Kurzform.
Natürlich hatte Anja dafür vieles vorbereitet: für uns „Werkbänke“ aus mehreren dicken Rohren, die auf Böcken montiert waren, dazu alle notwendigen Materialien, Chemikalien und Werkzeuge und natürlich viele Tipps und Tricks für ein effektives Arbeiten.
Bis zu diesem Kurs waren Ruderboote für mich einfach da. Zu wissen, wie sie entstehen, hat meine Blick um einiges verändert.
Spachteln, schleifen und lackieren standen für uns am nächsten Tag auf dem Programm. Anja reparierte derweil echte Schäden an Kunststoff- und Holzbooten, die wir mit ihren fachkundigen Erklärungen verfolgen konnten.
Loch vom Dollenstift
Der Klassiker: Beim Verladen im Bootshaus oder auf dem Hänger kommen sich zwei Boote zu nahe und der Dollenstift des höher liegenden Boots bohrt ein Loch in die Bootshülle.
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Dieser Schaden ist ein klarer Fall für Epodydharz. Es wird in zwei zusätzlich gebohrte Löcher gespritzt und außen aufgetragen, um eine neue Verbindung herzustellen. Nach dem Aushärten folgen die Feinarbeiten. Die reparierte Stelle muss geschliffen, gespachtelt, grundiert und lackiert werden. Das dauert mit Arbeits- und Wartezeit ein paar Tage. Aber danach ist das Boot wieder voll einsatzfähig und dank Anjas Können und Erfahrung war die reparierte Stelle anschließend nicht mehr zu finden.
Bugspitze abgebrochen
![](https://rcisar2020.de/wp-content/uploads/2023/02/bugspitze.jpg)
Der Zufall wollte es, dass sich wenige Tage vor unserem Kurs ein glückloser Einerfahrer zwanglos von seiner Bugspitze befreite… So hatten wir ein tolles Demonstrationsobjekt, und der Schaden wurde schnell behoben. Diese Reparatur ist zwar nichts für Anfänger und braucht ihre Zeit, der Schaden an sich ist aber kein Weltuntergang.
Anja erklärte uns, dass der Bug tatsächlich sehr empfindlich ist, weil er beim Rennboot natürlich besonders klein und schmal ist. Ihre Reparatur mit einem Ersatzstück aus Holz hat diesem Bug auf jeden Fall viel mehr Stabilität gebracht. Mit einer Lage Karbonfaser und viel Epoxydharz wurde die neue Spitze modelliert. Anschließend folgten viele Runden aus Schleifen und Spachteln, bis alles für den finalen Auftrag der extra besorgten gelben Farbe bereit war.
Holzboote reparieren
Neben diesen beiden gelben Renneinern haben wir uns natürlich auch um Holzboote gekümmert. Hier gab es ein Riss zu reparieren. Und als das Boot in den Böcken lag, kamen noch zwei weitere Probleme zum Vorschein. Eine Querstrebe hatte sich gelöst, und bei einem Stemmbrett waren die Löcher der Fußplatte ausgerissen.
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Auch hier war Epoxydharz wieder das MIttel der Wahl. Bevor Anja den Riss damit ausfüllen konnte, hat sie natürlich zuerst die Umgebung sauber abgeklebt und abgeschliffen. Nach einer Ruhezeit mit Hölzern und Schraubzwingen zum Fixieren folgte wieder das Schleifen und Lackieren.
Boote einstellen
Dieses wichtige Thema stand am letzten Tag noch auf dem Programm. Anja erklärte uns alle wichtigen Maße bei Skulls, Dollen und Stemmbrett, versorgte uns mit Richtwerten und Auswirkungen unterschiedlicher Einstellungen.
![](https://rcisar2020.de/wp-content/uploads/2023/02/boot-einstellung.jpg)
Fazit
Der Lehrgang hat sich gelohnt und ist absolut empfehlenswert. Vom Grundverständnis für das Sportgerät Ruderboot über die konkreten Tipps für die Werkstattausrüstung und Reparaturen bis zu den Basics der Einstellungen war es eine tolle Kombination aus Theorie und Praxis für ambitionierte Ruder.
Wir Ruderinnen waren von Anfang an eine tolle Gemeinschaft, haben zum Teil auch im Vereinsheim übernachtet und die Abende miteinander verbracht.
Wer schon immer und auf Grund meines Berichts erst Recht Lust bekommen hat, einen der Kurse bei der Bootsbaumeisterin zu besuchen, sollte mit seiner Anmeldung nicht lange warten. Denn die Kurse, ob gemischt oder nur für Frauen, sind stets schnell ausgebucht.
Unser Vorsitzender Frank ist im April dabei. Ich bin gespannt, mit welchen Eindrücken er, immerhein ein erfahrener „alte Hase“ im Rudersport, er aus Berlin zurückkehrt.
Und dann schauen wir mal, was wir an unseren Boote machen können.
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