So ist es zumindest in meinem Kopf verankert und sicher auch bei etlichen anderen Ruderern. Aber spürt man das auch Ort selber? Das wollte ich bei einem Lokalaugenschein klären.
Bahn sei Dank…
Schließlich hatte ein spezieller Zug vor 2 Jahren dafür gesorgt, dass ich die Skulls nicht ins Korn geworfen habe. Irgendwie machte mir – als spätberufene Quereinsteigerin – die ordentliche Rudertechnik damals beharrlich Probleme und der eigentlich endlich gefundene Lieblingssport endete oft mit Frust. Dass ich den ersten Teil der Rückfahrt von einem Nordsee-Urlaub, in dem ich viel über meine sportliche Zukunft nachgedacht hatte, in genau diesem Zug antrat, betrachtete ich als Zeichen, doch als Rudererin heimzukehren.
Ich bin also heute noch immer dabei, habe noch immer so meine Probleme mit der Technik, aber inzwischen ein eigenes Boot, für das es Ratzeburg auf die Liste der möglichen Namen schaffte. Also ab nach Ratzeburg, um nicht zuletzt die Namenswahl voranzutreiben.
Rudererstadt Ratzeburg?
Manche Städte präsentieren sich ja schon am Bahnhof oder auf dem Ortsschild als Messe- oder Hochschulstadt. „Rudererstadt Ratzeburg“ blieb aber meiner blühenden Fantasie vorbehalten. Der Slogan lautete anders:
Aber wo eine Insel ist, muss es natürlich Wasser geben. Und das war auch nach ein paar Gehminuten vom Bahnhof aus sowohl rechts als auch links zu sehen. Rechts musste irgendwo der Ruderclub sein, hatten meine Vorbereitungen ergeben. Tatsächlich, aber das Gebäude liegt etwas versteckt hinter einer Tankstelle, so dass ich beim ersten Mal glatt vorbeigelaufen bin und zunächst ein Stück des Uferwegs am Küchensee marschiert bin. Unendliches Wasser – das gäbe Ruderkilometer…. Aber vermutlich werden dort an Sommer-Sonnentagen nicht nur Ruderer unterwegs sein.
Zurück im Ort und nach dem Wechsel auf die andere Straßenseite erspähte ich am Ufer des Ratzeburger Sees gelbe längliche Objekte.
Meine Laufrichtung war also klar.
Ruderprofessor Karl Adam
Am Uferweg hinter Rathaus und Bibliothek fand sich dann auch endlich eine öffentliche Würdigung des Ruderns. Ich war nämlich auf dem Karl-Adam-Weg unterwegs und auf einer Infotafel war zu lesen:
“ Seit dem Jahr 1898 besteht an der Lauenburgischen Gelehrtenschule (LG) eine Schüler-Ruderriege. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg beauftragte der damalige Schulleiter Adolf Tredup den Gymnasiallehrer Karl Adam mit der Betreuung dieser Ruderriege, aus der 1953 der Ratzeburger Ruderclub hervorging. Das Bootshaus hinter dem Rathaus wird von der Ruderriege der Gelehrtenschule weiterhin intensiv genutzt. Der Weg entlang des Bootshaus der LG erhiert 2010 zu seinen Ehren den Namen „Karl-Adam-Weg“.
Die innovativen Trainingsmethoden des „Ruderprofessors“ Karl Adam (1912 – 1976) und die Umsetzung seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bootsbau führten zu vielen Erfolgen der Ratzeburger Rudersportler bei nationalen und internationalen Meistenschaften sowie zu sensationellen Olympiasiegen. Zur Erinnerung an Karl Adam und den Gewinn der ersten Goldmedaille im Ruderachter bei den olympischen Spielen in Rom im Jahr 1960 wurde dieser Gedenkstein 1980 vor dem Ratzeburger Ruderclub aufgestellt.“
Dieses kleine Bootshaus mit seinem riesigen Steg erlaubt das Rudern auf dem noch viel größeren Ratzeburger See. Beide Seen sind zwar verbunden, aber die Brücken und Durchfahrten sind ziemlich schmal und vermutlich nicht andauernd und mit größter Freude zu passieren.
Die 50er-Jahre – da waren sie wieder. Ein – diesmal männlicher – Zeitzeuge hat mir eine Geschichte über die aufstrebenden Ratzeburger Ruderer erzählt. Auf einmal waren sie also auf den Regatten vertreten und schlugen sich wacker. An den Ufern aber fehlten die geografischen Kenntnisse, um Ratzeburg einzuordnen. „Wo liegt Ratzeburg?“, wurde da gefragt. Die Antwort lautete nicht etwa „Im Herzogtum Lauenburg, etwas südlich von Lübeck“, sondern „momentan 2 Luftkastenlängen vor der Amicitia“, womit das Boot aus Mannheim gemeint war…
Auch die „Päckchen“ die mein Vater bei dem Alten Herren (den heutigen Masters) im Frankfurter Hafenbecken trainiert hat, gingen auf Karl Adam zurück. So war mir der Name auch schon früh geläufig, während ich damals als Radsportlerin überwiegend lange Strecken langsam trainierte. Aber das ist eine andere Geschichte, die später mal erzählt wird.
Baustelle Ruderakademie
Zurück nach Ratzeburg, wo mich der Weg zur Ruderakademie führte. Auf einen Hänger lagen (sicher gelben) Boote in gelben Hüllen, Zweier und Vierer. Davor im Wasser ein herrlich langen Steg, aber weit und breit keine Ruderer zu sehen. Dafür jede Menge Bauarbeiter. Ja klar, da war doch was. In Ratzeburg wird gebaut. Noch bis Mai 2023, wenn der Zeitplan hält.
3 Etagen stehen zukünftig für Boote, Sportmedizin, Krafttraining, Wissensvermittlung, Essen und Wohnen zur Verfügung. Der Plan sieht gut aus. Hoffentlich gelingt die Umsetzung und trägt bald edelmetallische Früchte auf allen Leistungsebenen. Das Ruderrevier ist jedenfalls traumhaft. Ein riesiger See, der von dem heftigen Wind, der am Nachmittag aufkam, weniger betroffen war als der Küchensee vor dem Haus des Ruderclubs.
Ich habe meinen Rundgang fortgesetzt, natürlich den Dom besucht, den Ortskern erkundet und die Inselstadt auch noch vom gegenüberliegenden Ufer betrachtet. Kurz vor Ende meiner Runde konnte ich dann tatsächlich noch ein Boot auf Wasser entdecken. Wacker kämpften vier Breitensportler vor dem Areal des Ruderclubs gegen Wind und Wellen.
„Die Struktur der Leistung ist auf allen Gebieten gleich,“ so das Zitat von Dr. h.c. Karl Adam auf dem Gedenkstein. Mathematiklehrer soll er übrigens gewesen sein, hat mir mein Zeitzeuge noch verraten.
Damit ging es zurück zum Bahnhof, wo mein Tag in Ratzeburg endete.
Und das Fazit?
Ratzeburg ist eine Reise und sogar ein paar mehr Tage Urlaub wert. An und auf den Seen gibt es einiges zu entdecken und die Natur zu genießen. Zu Fuß die Seen umrunden, vielleicht mal Baden gehen, Radfahren oder natürlich rudern – vieles ist möglich. Die Insel ist überschaubar, aber nur ein Teil der Stadt, denn sonst wäre das zweistellige Autokennzeichen RZ ja übertrieben.
Das Rennen um den Namen meines Boots hat Ratzeburg mit 2 Luftkastenlängen verloren. Aber wenn ich meinen Kampf mit der Rudertechnik dieses Jahr auch nur um eine halbe Luftkastenlänge gewinne, könnte der Traum von der Ratzeburger Rowing-Challenge wahr werden. Dafür kann ein wenig Ortskenntnis nicht schaden.
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